American Football ist Teamsport, ohne Zweifel. Würde man aber nach Argumenten für die Sportart als One-Man-Show suchen, so käme man um einen Namen nicht drumherum: Cam Newton. Seine Auftritte in der MVP-Saison 2015 sind der beste Beweis dafür, dass ein Einzelner sein Team tragen kann.
Ein Rückblick auf die beste Quarterback-Saison aller Zeiten im Trikot der Carolina Panthers – und definitiv die spektakulärste der NFL-Geschichte!
Zahlen von einem anderen Stern
Räumen wir zunächst die Zahlen aus dem Weg: 3.837 Passing Yards, 35 Passing Touchdowns und nur zehn Interceptions – keine schlechte Bewerbung um die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler der Saison. Was Cam Newtons Saison aber wirklich herausragend machte, war sein Beitrag als mobiler Quarterback: 636 Rushing Yards und zehn Touchdowns zu Fuß. Zur Einordnung: Der Mann mit den meisten Rushing Touchdowns hieß 2015 Adrian Peterson – wohlgemerkt ein Running Back – und lief elfmal in die Endzone.
Als erster Spieler überhaupt erreichte der Nummer-eins-Pick aus dem NFL Draft 2011 in dieser Saison den Meilenstein von 100 Passing und 25 Rushing Touchdowns in den ersten fünf Spielzeiten in der Liga.
Kritiker verwiesen 2015 immer wieder darauf, dass Newton 59,8-prozentige Completion Rate (Quote seiner Pässe, die gefangen wurden) nicht einmal Ligadurchschnitt war, sondern gerade Platz 28 in der NFL. Auch seine Passing Yards pro Spiel, 235,5 waren es, reichten nicht für die Top-Platzierungen (Platz 26). Lediglich in Sachen Passer Rating landete Newton mit einer Punktzahl von 96,9 in den Top Ten (Platz 8).
Das aber erzählte damals nur die halbe Wahrheit. Betrachtete man Newtons Passer Rating situativ, also in den Situationen, in denen ihn sein Team am meisten brauchte, dann zeigte sich seine große Klasse in der Saison 2015. Cam Newton war "clutch", er war für die wichtigen Momente wie gemacht. Wenn sein Team zurücklag, sorgte er mit einem Passer Rating von 117,0 für die Wende. Wenn es ins letzte Quarter des Spiels ging, lief er mit einem Rating von 115,0 richtig heiß.
Das Team auf dem Rücken getragen
Insbesondere mit diesen zwei Eigenschaften führte Newton die Panthers 2015 zu 14 Siegen in Serie, ehe sie am 16. Spieltag knapp mit 13:20 bei den Atlanta Falcons verloren. Carolina ging mit am Ende 15 Siegen und nur einer Niederlage als erstplatziertes Team der NFC South und Spitzenreiter der NFC in die Playoffs. Das hätte vor der Saison wohl kaum jemand für möglich gehalten.
Die Vorzeichen für ein derart dominantes Jahr waren – bei allem Respekt für die starke Defensive um Linebacker Luke Kuechly – einfach nicht gegeben. In der Saisonvorbereitung verlor Newton seinen Nummer-eins-Receiver Kelvin Benjamin durch einen Kreuzbandriss. Und auch sonst schrie die Passempfänger-Gruppe der Panthers in diesem Jahr nicht nach absoluter Elite. Kurz gesagt: Niemand machte 2015 aus weniger mehr als Cam Newton.
Keiner von Carolinas Receivern hatte am Ende der Regular Season mehr als 44 Catches und keiner sammelte mehr als 800 Yards. Im Laufspiel war Quarterback Newton effizienter als Running Back Jonathan Stewart, der aus seinen 242 Läufen zwar 989 Yards machte, aber mit 4,1 Yards pro Lauf nicht an Newtons 4,8 Yards herankam.
Unterm Strich war Newton 2015 genau der Superman, den das Team für eine Chance auf den Super Bowl benötigte. Nicht nur als Spieler auf dem Feld, sondern vor allem auch als allseits respektierter Leader und verrückte Stimmungskanone.
Es gibt aus der MVP-Saison Newtons kaum Fotos, auf denen der Quarterback nicht ein Lächeln im Gesicht hat, mit Teamkameraden einen Touchdown bejubelt oder mindestens drei Gegenspieler austanzt. Dieses Selbstbewusstsein war so ansteckend, dass bald jeder in Carolina an die Titelchance glaubte.
Cam Newton wurde in dieser Saison nicht nur das Gesicht seiner Franchise, sondern auch das der NFL.
Fast einstimmig zum MVP gewählt
Ja, Cam Newton hatte keine so herausragende Touchdown-zu-Interception-Rate wie Tom Brady in der Saison 2015. Und ja, er hatte auch kein so starkes Passer Rating wie Carson Palmer. Doch er war schlicht das, was der MVP-Titel auszeichnet: der wertvollste Spieler.
Dementsprechend eindeutig fiel die Wahl zum MVP letztlich aus. Cam Newton bekam 48 der 50 Stimmen, während Brady und Palmer jeweils nur einmal berücksichtigt wurden. Darüber hinaus wurde Newton auch noch zum Offensivspieler des Jahres ausgezeichnet.
Während diese Auszeichnungen sich lediglich auf die Regular Season bezogen, lief Newton in den Playoffs zu Bestform auf. 70 Prozent seiner Pässe landeten in den Händen seiner Mitspieler, fünf Touchdowns standen nur einer Interception gegenüber. Überzeugende Siege gegen die Seattle Seahawks und die Arizona Cardinals brachten die Panthers ins Endspiel.
Und auch wenn die Panthers am Ende den Weg nicht zu Ende gehen konnten und im Super Bowl 50 den Denver Broncos mit 10:24 unterlagen, so ist 2015 dennoch als riesiger Erfolg in die Geschichte eingegangen – als eine der besten, spektakulärsten, unterhaltsamsten Quarterback-Saisons aller Zeiten.