Es gibt da dieses Foto von Yetur Gross-Matos aus dem Spiel gegen die Atlanta Falcons. Der Defensive End feiert mit seinem Teamkollegen eine gelungene Verteidigungsaktion. Er schreit sich die Erleichterung vom Leib. Hat sichtlich Spaß. Genießt es, seine Rolle bei den Carolina Panthers und in einer starken Defensive gefunden zu haben.
Gross-Matos ist in seinem zweiten NFL-Jahr ein gestandener Footballprofi. Ein 23 Jahre junger Mann, der mit beiden Beinen im Leben steht. Das war nicht immer so.
Der Verlust von Vater Michael
Es war der 7. Mai 2000, nur einen Monat nach Yeturs zweitem Geburtstag. Die Familie, Michael Gross und seine Ehefrau Sakinah sowie die unzertrennlichen Geschwister Yetur, Chelal und Qeturah waren mit Yeturs Großvater Chester auf einem Bootsausflug in Calvert County, Maryland. Plötzlich wurde es hektisch und alles ging ganz schnell. Yetur war ins Wasser gefallen, sein Vater und sein Großvater sprangen hinterher, um ihn zu retten.
Michael war zuerst bei seinem Sohn, hielt ihn über Wasser. Opa Chester erreichte die beiden und brachte Yetur dann zurück aufs Boot und in die Arme seiner Mutter. Alles schien glimpflich ausgegangen zu sein, als Sakinah bemerkte, wie ihr Mann im Wasser immer weiter vom Boot weg driftete und sich nicht über Wasser halten konnte. Sie musste mit ansehen, wie sein Kopf nicht mehr auftauchte. Bis heute kann sich niemand erklären, wie das passieren konnte. Michael war 29 Jahre alt und ein fähiger Schwimmer. Taucher zogen ihn wenig später leblos aus dem Wasser. Alle Versuche der Wiederbelebung schlugen fehl.
Fortan kümmerte sich Mutter Sakinah alleine um ihre Tochter und ihre zwei Söhne. Sie wollte den Verlust des Vaters kompensieren, wollte so viel Zeit mit ihnen verbringen. Deshalb ging sie auf der Suche nach einem Job mit besseren Arbeitszeiten an die Polizeiakademie in Washington, D.C. Sie lernte den Polizeioffizier Rob Matos kennen.
Durch den Adoptivvater zum Sport gefunden
Yeturs Mutter Sakinah heiratete erneut, Rob Matos adoptierte die drei Kinder. Als Student spielte er in New York Basketball und Baseball, jetzt gelang es ihm durch den Sport, einen Draht zu seinen Adoptivkindern zu finden. Er trainierte das Baseballteam seiner Söhne Chelal und Yetur in der Kinderliga.
Nach seinem großen Bruder gefragt, sagte Yetur einmal: "Er war charismatisch und mutig." In seiner Nähe zu sein, sei wie in der Nähe eines Superheldens zu sein. Dass Yetur Gross-Matos in der Vergangenheitsform von seinem Bruder spricht, liegt am zweiten Schicksalsschlag, der die Familie heimsuchte.
An einem Tag im Juni 2009, als die Jungs ein Baseballspiel haben sollten, war das Wetter schlecht. Wolken zogen auf, ein Gewitter braute sich zusammen. Nach wenigen Runden wurde das Spiel unterbrochen, weil der Donner heran rollte. Die Spieler und Trainer suchten Schutz in ihren Autos, doch Chelal wollte mit einem Freund weiterspielen und ging wieder in Richtung Spielfeld. Gerade als seine Eltern nach ihm riefen, schlug der Blitz ein. Es roch nach verbrannter Kleidung und verschmorten Haaren, so erzählte es Yetur 2020 ESPN. Chelal lag am Boden und stand nicht mehr auf.
Yetur Gross-Matos hatte seinen Vater verloren. Er erinnerte sich zwar nicht, was damals genau passiert war, doch er fühlte sich schuldig am Tod seines Papas. Jedes Mal, wenn es um den schicksalbehafteten Tag im Sommer 2000 ging, wurde er ganz still. Und nun hatte Yetur auch noch seinen Bruder verloren – und Rob Matos hatte seinen Adoptivsohn verloren. Stiefvater Rob fühlte sich dazu verantwortlich für Chelals Tod.
Mit der Zeit gelang es Mutter und Ehefrau Sakinah, ihren Sohn und ihren Mann davon zu überzeugen, dass beide keine Schuld trugen. Yetur öffnete sich, nahm wieder am Leben teil, wollte Dinge ausprobieren. Sein Vater Rob brachte ihn zum Football, unterstützte ihn beim Training, beschützte ihn vor falschen Einflüssen und Erwartungen.
Später Durchstarter, dann College-Star
Yetur Gross-Matos fand im Football seine Erfüllung – und seine Rolle. Er dominierte an der High School in der Defensive Line, zog die Augen der Scouts auf sich und bekam Stipendien angeboten. Er nahm das von der Penn State University an, wo er sich innerhalb von drei Jahren auf die Notizzettel der NFL-Manager spielte.
Schon im ersten Jahr am College kam er in allen Partien der Penn State Nittany Lions zum Einsatz, sammelte Sacks und Tackles am laufenden Band. Nach 14 Tackles für Raumverlust und 9,5 Sacks in seiner dritten Saison entschied er, die Uni 2020 hinter sich zu lassen und in den NFL Draft zu gehen. Die Carolina Panthers holten ihn an 38. Stelle der Talentauswahl.
Der vom Schicksal schwer gebeutelte junge Mann hat es in die NFL geschafft. Seinen Vater und seinen Bruder trägt er dort immer bei sich – den Vater im Nachnamen, den Bruder als Tattoo auf dem Arm.
