Zugegeben, die Carolina Panthers sind in dieser Offseason ein hohes Risiko gegangen. Nach der Ära von Ron Rivera statteten sie den College-Coach Matt Rhule direkt mit einem 7-Jahresvertrag aus – obwohl dieser keine nennenswerten NFL-Erfahrungen als Trainer vorweisen konnte (2012 war Rhule eine Saison Offensive Line Coach bei den New York Giants). Mit Cam Newton und Luke Kuechly verließen dazu zwei Franchise-Legenden das Team. DAS nennt man einen Neustart!
Viele Fans und Beobachter hatten schon Angst davor, dass die Panthers 2020 komplett unter die Räder kommen würden. Zwar wurde mit Teddy Bridgewater ein erfahrener Quarterback verpflichtet, doch vor allem die blutjunge Defensive machte Sorgen. Und dann verletzte sich auch noch Superstar Christian McCaffrey. Trotzdem zeigte das Team der Panthers extremen Willen, gestaltete fast alle Spiele sehr knapp und zeigte ihren Fans vor allem eines: dass sie kein Spiel, keine Aktion abschenken. Doch wie konnte das Team im Umbruch so schnell konkurrenzfähig sein?
Wofür der neue Head Coach steht
Schon bei der Pressekonferenz zur Vorstellung von Matt Rhule wurde deutlich, dass es den Carolina Panthers nicht um kurzfristigen Erfolg geht. Die Verpflichtung ist vor allem als eine Investition in eine erfolgreiche Zukunft zu verstehen. Nicht nur wegen der 7 Vertragsjahre, auch aufgrund der Aussagen von Besitzer David Tepper. Für ihn sei "nachhaltiger Erfolg" das Wichtigste – er wollte einen Trainer mit einer klaren Philosophie und einer auf Langfristigkeit ausgelegten Strategie. "Natürlich rede ich über Super-Bowl-Titel, aber vor allem ist mein Ziel, in allem der Beste zu sein. Wenn du überall der Beste bist, dann kommen die Super-Bowl-Siege automatisch", sagte der Besitzer im Januar 2020. Doch wie passt das zu Matt Rhule?
Der neue Head Coach sagte damals: "Ohne den Kader zu kennen, ohne zu wissen, was uns nächstes Jahr erwartet, ist mein Ziel, wenn wir ein Team mit 8 Siegen und 8 Niederlagen sein werden, dass wir dann das beste Team aller Zeiten mit 8 Siegen und 8 Niederlagen sein müssen." Der ehemalige College-Linebacker, der als Aktiver nie als Profi gespielt hat, sondern sich direkt ins Coachen stürzte, genießt den Ruf, mehr als nur ein Trainer zu sein. Er ist ein "Program Builder", was heißt, dass er Wert darauf legt, nicht nur kurzfristig das Team besser zu machen, sondern einen Blick für alle Aspekte des Footballs zu haben – Trainingseinrichtungen, Trainer, Mitarbeiter und alles, was sonst noch so dazu gehört.
"Das Team muss zu den Spielern passen"
Etwas handfester wird es dann schon, wenn man Matt Rhules Team-Philosophie betrachtet. Bei seiner Vorstellung als Head Coach der Carolina Panthers sagte Rhule zum Beispiel, dass er ein Team aufbauen wolle, "das zu den Spielern passt" – und nicht umgekehrt. Er schaut sich also ganz genau an, was der Kader hergibt und passt dann seine Strategien gegebenenfalls an, um das Maximale aus seinen Spielern herauszuholen.
So konnte sich nach der Verletzung von Christian McCaffrey sein Vertreter Mike Davis in den Vordergrund spielen, obwohl er andere Stärken als Running Back mitbringt und somit auch anders eingesetzt werden muss. Auch Neuzugang Robby Anderson spielt unter dem Trainer, den er schon vom College kannte, groß auf und führte 2020 sogar kurzzeitig die NFL in Receiving Yards an. Auch mit Curtis Samuel blüht ein weiterer Wide Receiver geradezu auf – und das alles mit einem neuen Quarterback, Teddy Bridgewater. Und unter einem Trainer, der vor seiner ersten Saison im Profibereich als absoluter No Name in der NFL galt.
Erfolgreiche College-Stationen vom neuen Head Coach
Seinen guten Ruf hat sich Matt Rhule besonders bei seinen Stationen Temple (2013 - 2016) und Baylor (2017 - 2019) erarbeitet. Dort schaffte der 45-Jährige es, aus eher kleinen und weniger erfolgreichen Colleges echte Gewinnerteams zu formen – dabeii bewies er einen langen Atem. Seine erste Saison mit Temple endete mit 2 Siegen und 10 Niederlagen. Es folgten Saisons mit 10 Siegen - 4 Niederlagen und 10 Siegen - 3 Niederlagen. In seiner ersten Saison mit Baylor gab es nur einen Sieg und 11 Niederlagen. In seiner Abschiedssaison folgten dann 11 Siege und 3 Niederlagen. Von Jahr zu Jahr gab es stets mehr Siege und besseren Football zu bewundern.
Eine Entwicklung, die die Carolina Panthers und vor allem David Tepper beeindruckt haben: "Wir haben hier jemanden, der Teams und Organisationen entwickelt, der aber noch nie über solche Ressourcen verfügen konnte. Und er hat gezeigt, was er mit wenig Ressourcen alles schaffen kann. Also was kann er alles tun, wenn er mehr zur Verfügung hat?"
Seit der Ankunft von David Tepper bei den Panthers hat sich eben nicht nur in Sachen Spieler und Trainer viel getan. Der ehemalige Mitbesitzer der Pittsburgh Steelers lässt auch fleißig an einem neuen Trainingsgelände bauen. Das Ziel lautet: Bedingungen in Carolina zu schaffen, auf die die anderen NFL-Teams neidisch schauen werden. Das neue Zentrum in Rock Hill, South Carolina, soll 2023 fertig werden – und sieht absolut fantastisch aus. Spätestens dann wird Head Coach Matt Rhule sein liebstes Hobby noch besser ausleben können: Spieler besser zu machen. Das ist ihm bisher auf all seinen Stationen gelungen.
Der Blick fürs Detail – jedes Training zählt
Panthers-Coach Matt Rhule hat es übrigens vor allem in die NFL geschafft, weil er ein harter Arbeiter ist. In jedem Training, in jeder Sekunde verlangt er maximale Aufmerksamkeit bei seinen Spielern. Das Tempo zwischen den einzelnen Übungen ist extrem hoch, in der Mitte steht Rhule (manchmal auch gerne mit einem Megafon) und gibt die Befehle. Er kreiert damit eine angespannte Atmosphäre wie in einem Stadion am Spieltag.
Im Gegensatz dazu lief es unter Vorgänger Ron Rivera häufig alles ein wenig gemächlicher ab. Riverboat Ron, 9 Saisons bei den Carolina Panthers am Ruder und immer noch extrem beliebt in der Franchise, startete langsamer ins Training und erhöhte dann im Verlauf die Intensität. Auch durften Veteranen und Star-Spieler gelegentlich mit dem Training aussetzen. Eine Philosophie, die Matt Rhule nicht wirklich teilt bzw. sie komplett anders lebt. Inspiriert wurde der am College so erfolgreiche Trainer übrigens von NFL-Legenden wie Seahawks-Coach Pete Carroll und den Giants-Ikonen Bill Parcells sowie Tom Coughlin.
Ein wichtiger Baustein in Rhules Philosophie sind auch seine Mitarbeiter. Schon in den ersten Gesprächen mit David Tepper hat er viel darüber gesprochen, wie er seine Assistenten auswählt und wie wichtig sie für ihn sind. Unter anderem verpflichtete er den erst 31-jährigen Offensive Coordinator Joe Brady und Defensive Coordinator Phil Snow, der schon am College mit ihm zusammengearbeitet hat, um seine Ideen noch besser umsetzen zu können. Vor allem Joe Brady hat in den vergangenen Monaten großes Potenzial gezeigt und viele Experten rechnen auch ihm einen großen Anteil am bisher erfolgreichen Umbruch zu.
Tanking war nie eine Option
Ganz wichtig für die jetzige Stimmung im Team und diese Gier nach Erfolg: Von Anfang an war klar, dass Tanking, also das absichtliche Verlieren, um gute Draftpicks zu bekommen, unter Matt Rhule keine Option ist. Natürlich war allen beteiligten Personen klar, dass so ein Rebuild hart werden kann, doch trotzdem hat der neue Trainer auch durch seine Arbeitsmentalität klar zu verstehen gegeben, dass alle Spieler an jedem Tag das Beste aus sich herausholen müssen. Er selbst geht da mit gutem Beispiel voran. "Er hat keine Angst vor konstruktiven Diskussionen, er hat keine Angst, seine Trainer oder Spieler herauszufordern. Er ist ein richtiger Head Coach", sagte Panthers Besitzer David Tepper über seinen neuen Trainer. Es ist nicht gemütlich unter Matt Rhule, aber der Erfolg des Teams steht immer an erster Stelle. Und vor allem lautet die Devise: Niemals aufgeben (Keep Pounding), niemals den bequemen Weg gehen.
Unter dem Strich ist es neben den jungen und hungrigen Spielern vor allem die Philosophie vom neuen Head Coach, die das Projekt der Carolina Panthers so spannend macht. Eine Idee, die vor allem auf Langfristigkeit ausgelegt ist und doch auch kurzfristig schon die eigenen Fans begeistern kann. Und trotzdem wird sich nicht zurückgelehnt, denn David Tepper hat die höchsten Ansprüche an seinen Trainer: "Ich denke, dass Matt Rhule hier ein Fundament für die nächsten 30 oder 40 Jahre legen wird."